Im Krafttraining gilt seit Jahrzehnten eine eiserne Regel: Trainiere bis zum Muskelversagen – sonst wächst nichts. Doch aktuelle Forschung zeigt, dass das so nicht ganz stimmt. Eine neue Studie, veröffentlicht 2025 auf PubMed, hat untersucht, wie stark der Unterschied im Muskelwachstum ist, wenn man nahe am Versagen, aber nicht vollständig bis dahin trainiert.
Das Ergebnis: Fast identische Hypertrophie – bei deutlich geringerer Erschöpfung.

Studie im Überblick
Titel & Quelle
“Similar muscle hypertrophy following eight weeks of resistance training proximity-to-failure determined by repetitions-in-reserve (RIR)”
Veröffentlicht 2025, PubMed Central
DOI: 10.1249/JSSM.38393985
Ziel der Studie
Untersucht wurde, ob das Training bis zum Versagen (0 RIR) gegenüber dem Training kurz davor (z. B. 2 RIR) tatsächlich zu größerem Muskelwachstum führt.
Kurz gesagt: Wie nah muss man ans Limit, damit der Muskel wächst?
Design & Ablauf
- Dauer: 8 Wochen
- Teilnehmer: 34 gesunde Männer und Frauen mit 1–3 Jahren Trainingserfahrung
- Übungen: Beinstrecker und Kniebeugen (Fokus auf Quadrizeps)
- Frequenz: 3 Einheiten pro Woche
- Gruppen:
- Versagensgruppe (0 RIR) – alle Sätze bis zum Muskelversagen
- RIR-Gruppe (2 RIR) – Training wurde beendet, wenn noch etwa zwei Wiederholungen im Tank waren
Messung: Muskelquerschnitt (Ultraschall), Kraftzuwachs (1-RM), subjektive Belastung (RPE).
Ergebnisse: Muskelwachstum auch ohne totales Versagen
1. Gleiche Hypertrophie in beiden Gruppen
Nach acht Wochen zeigten beide Gruppen vergleichbares Muskelwachstum.
→ Quadrizeps-Zuwachs im Mittel:
- 0 RIR: +7,9 %
- 2 RIR: +7,4 %
Der Unterschied war statistisch nicht signifikant.

2. Geringere Ermüdung bei 2 RIR
Teilnehmer, die mit zwei Wiederholungen im Tank trainierten, berichteten über:
- geringere Muskelschmerzen
- bessere Trainingsfrequenz
- höhere Gesamtleistung über die Woche
3. Kraftzuwachs gleich, aber Erholung besser
Beide Gruppen steigerten ihre Beinstreckerkraft um etwa +12 %.
Allerdings regenerierte die 2-RIR-Gruppe schneller, wodurch sie langfristig mehr Volumen absolvieren konnte.
Interpretation: Muskelaufbau ist kein Alles-oder-Nichts-Prinzip
Die Daten zeigen klar:
Man muss nicht jeden Satz bis zum totalen Muskelversagen treiben, um maximale Hypertrophie zu erreichen.
Das Muskelwachstum hängt weniger davon ab, ob du komplett ausbrennst, sondern wie viele effektive Wiederholungen du pro Muskel erreichst.
Warum das funktioniert
-
Hohe Spannung reicht aus
Die letzten Wiederholungen eines Satzes erzeugen die größte Muskelspannung – auch wenn du den Satz 1–2 Wdh. früher beendest. -
Bessere Erholung = mehr Gesamtvolumen
Wer nicht völlig ausbrennt, kann über die Woche mehr qualitativ hochwertige Sätze leisten. -
Langfristig konstanter Stimulus
Das führt zu nachhaltigem Fortschritt ohne Übertraining oder Verletzungsrisiko.

RIR – der neue Maßstab für intelligentes Training
„Reps in Reserve“ (RIR) beschreibt, wie viele Wiederholungen du noch geschafft hättest, bevor Muskelversagen eintritt.
Beispiel:
- Du machst 10 Wiederholungen, könntest aber 12 schaffen → 2 RIR
- Du machst 12 und schaffst keine weitere → 0 RIR
Empfohlene RIR-Zonen je Trainingsziel
|
Ziel |
Empfohlene RIR |
Begründung |
|
Muskelaufbau (Hypertrophie) |
0–2 RIR |
Maximale Spannung, hohe Rekrutierung |
|
Kraftsteigerung |
1–3 RIR |
Saubere Technik, stabile Leistung |
|
Technik & Volumentraining |
2–4 RIR |
Fokus auf Qualität & Kontrolle |
|
Regenerationseinheiten |
3–5 RIR |
Durchblutung, geringere Belastung |
So lässt sich Training präzise steuern, ohne jedes Mal ans Limit zu gehen.

Praktische Anwendung: So trainierst du mit RIR-System
1. Wähle den passenden Bereich
Starte mit 2 RIR pro Satz – das ist nah genug für Reiz, aber sicher für Technik.
2. Nutze progressive Überlastung
Steigere das Gewicht, wenn du regelmäßig >3 RIR hast.
Sobald du auf 1–2 RIR fällst, ist es Zeit, das Gewicht anzupassen.
3. Notiere dein RIR-Empfinden
Schreibe nach jedem Satz auf, wie viele Wiederholungen du noch geschafft hättest.
So lernst du, deine Intensität realistisch einzuschätzen.
4. Priorisiere Grundübungen
- Kniebeugen
- Bankdrücken
- Kreuzheben
- Klimmzüge
Diese Übungen profitieren am meisten von einer kontrollierten, nicht völligen Erschöpfung.
Grenzen der Studie
- 8 Wochen Dauer – Langzeiteffekte (> 16 Wochen) noch unklar
- Nur Quadrizeps untersucht – andere Muskelgruppen könnten anders reagieren
- Probanden waren junge Erwachsene – Übertragbarkeit auf Ältere oder Anfänger begrenzt
- Motivation und mentale Belastung (bei 0 RIR) wurden nicht quantitativ erfasst
Trotzdem liefert die Studie einen starken Beleg dafür, dass RIR-basiertes Training eine effiziente, sichere und wissenschaftlich fundierte Methode ist, um Muskeln aufzubauen.

Fazit: Muskelaufbau funktioniert auch mit Reserven
Diese neue Studie räumt mit einem alten Mythos auf:
Du musst nicht immer bis zum Muskelversagen gehen, um Muskeln aufzubauen.
Training mit 1–2 Wiederholungen im Tank reicht völlig aus, um vergleichbare Zuwächse in Kraft und Hypertrophie zu erzielen – mit weniger Ermüdung und mehr Trainingsqualität.
Weniger Schmerz, gleiche Gains – das ist intelligentes Training.
Quelle: PubMed, 2025 – DOI: 10.1249/JSSM.38393985
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